Alle Jahre wieder am 24. Dezember strömen unzählige Menschen in die Kirche, um sich die Geschichte von Jesus Geburt erzählen zu lassen. Vor vielen Jahren habe auch ich mir so ein Krippenspiel angeschaut. Die Handlung selbst fand ich nicht besonders spannend – das konnte Monty Python deutlich besser. Doch faszinierten mich damals bereits die historischen Gegebenheiten, in denen die Erzählung eingebettet war.
In den letzten Jahren fiel mir zunehmend auf, welche große Rolle wirtschaftliche Themen in der Weihnachtsgeschichte spielen. Von Steuern über Einkommen bis Handel ist fast alles dabei. Dem gehe ich in diesem Beitrag nach.
Inhaltsverzeichnis
Die Geschichte in der Geschichte
Die Handlung ist kurz erzählt: Aufgrund einer staatlich angeordneten Volkszählung machen sich Josef und seine hochschwangere Frau Maria auf den Weg nach Bethlehem. Kurz vor Bethlehem wollen sie in einer Herberge Rast machen, doch da kein Zimmer verfügbar ist, müssen sie mit dem Stall vorlieb nehmen. Dort bringt Maria ihren Sohn Jesus zur Welt. Schließlich bringen Magier oder Sternendeuter – gemeinhin als die drei Weisen bezeichnet – dem Neugeborenen kostbare Gaben, weil sie glauben, dass hier der sogenannte Messias geboren sei.
Was an dieser Geschichte historisch belegbar ist, darüber können andere viel besser schreiben – zum Beispiel >hier. Ich möchte die Erzählung eher als Anlass nehmen, um die wirtschaftlichen Zusammenhänge anzuschauen, in denen die junge Familie lebt.
Zum Zeitpunkt der Handlung steht das Römische Reich in voller Blüte. August, der Neffe von Cäsar, ist Kaiser. Das Staatsgebiet dehnt sich immer weiter aus und hat sich Gebiete wie Judäa und Galiläa einverleibt. Maria und Josef leben demnach in einer römischen Provinz und werden mit den Auswirkungen täglich konfrontiert.
Für die Steuererklärung nach Betlehem
Wie oben beschrieben beginnt die Weihnachtsgeschichte mit der Reise nach Betlehem aus Anlass einer Volkszählung. Und wofür ist eine Volkszählung gut? Um Steuern zu erheben. Damit kannte sich der römische Staat bestens aus.
Seit der Gründung Roms Mitte des 8. Jahrhunderts vor Christus mussten die Bürger für die Staatsausgaben aufkommen. In der nachfolgenden Zeit entwickelte sich ein komplexes und umfangreiches Abgabensystem. Und das war auch bitter nötig. Das römische Heer mitsamt Flotte und Begleitindustrie verschlang bis zu zwei Dritteln des Staatsbudgets. Und auch die Tribute an ausländische Herrscher und Geschenke an die Bevölkerung mussten bezahlt werden.
Die Staatsausgaben wurden erst ab Kaiser Augustus (27 v. Chr. bis 14 n. Chr.) zentral erfasst. Er ließ einen Haushaltsplan und eine Reichsfinanzstatistik erstellen, um die maroden Finanzen in den Griff zu bekommen. Dafür wurden zwei Kassen eingerichtet. Die eine war die Privatkasse des Kaisers, in die Geschenke der reichen Bürgerschaft eingingen. Die andere war die Staatskasse, die vom Senat kontrolliert wurde und in die die staatlich erhobenen Steuern flossen.
Zur Zeit der Weihnachtsgeschichte wurden im Römischen Reich zwei Arten von >Steuern entrichtet: die direkten und die indirekten Steuern. Zu den indirekten Steuern zählten beispielsweise Nutzungs- und Wegegelder, Zölle oder eine Erbschaftssteuer. Augustus erhob sogar eine Umsatzsteuer in Höhe von 1 Prozent auf Waren und 4 Prozent auf Sklaven.
Hatten Maria und Josef Grundbesitz in Betlehem?
Zu den direkten Steuern zählten die Grundbesitz- und die Kopfsteuer. Die Grundbesitzsteuer richtete sich nach dem Landbesitz und dem damit verbundenen Ertragspotenzial. Erfasst wurden nicht nur Flächenmaße, sondern auch die Anzahl der Olivenbäume oder Weinreben. Die Kopfsteuer bemaß sich nach der Anzahl der Familienmitglieder. Erfasst wurden alle Männer zwischen 14 und 65 Jahren und alle Frauen zwischen 12 und 65 Jahren. Einkommen und Vermögen spielten keine Rolle.
Die römischen Bürger zahlten meist eine geringere Kopfsteuer als die Einwohner in den Provinzen. Zu Zeiten Augustus waren sie komplett befreit. Dagegen war die Steuerlast in den Provinzen höher und teilweise sehr erdrückend. Gerade Provinzen, die wirtschaftlich eher geringere Leistung brachten, litten unter hohen Steuerzahlungen. Unter Umständen wurden zu den bisherigen Abgaben auch religiöse Steuern eingezogen. Der „Zehnte“ musste beispielsweise von Priestern und Leviten gezahlt werden, die Tempelsteuer wurde zur Deckung der Kosten des öffentlichen Kults verwendet.
Zur Erfassung dieser Daten und der Ermittlung des Steueraufkommens ließ Augustus regelmäßig Volkszählungen durchführen. Diese Volkszählungen fanden meist im Kerngebiet des römischen Imperiums statt. Die Provinzen führten unabhängig davon Registrierungen durch. Bei der Einrichtung neuer Provinzen wurden sie sofort durchgeführt. Das könnte auch auf die Weihnachtsgeschichte zutreffen.
Im Jahre 6 nach Christus wurde der Statthalter von Judäa und Nachkomme König Herodes von Augustus abgesetzt und das Gebiet mit den nördlichen Gebieten zur Provinz Syrien zusammengefasst. Der neue Statthalter Publius Sulpicius Quirinius ließ sofort einen >Zensus durchführen, um die Steuereinnahmen planen zu können.
Jede Bürgerin und jeder Bürger mussten dazu eine Steuererklärung abgeben. Das hieß damals, dass sie sich bei einem Steuerbeamten im zuständigen Steuerdistrikt melden und in Listen eintragen lassen mussten. Normalerweise waren damit keine langen Reisen verbunden. Für die Kopfsteuer ließ man sich am jeweiligen Aufenthaltsort registrieren, für die Grundsteuer meldete man sich in dem Distrikt, in dem sich das eigene Land befand.
Leider steht in der Bibel nichts über einen etwaigen Grundbesitz des Paares in Betlehem.
Was Josef als Zimmermann verdiente – Löhne und Preise
In der Weihnachtsgeschichte werden die Eltern Jesu als arm dargestellt. Inwieweit dies zutrifft, ist nicht ganz klar. Immerhin könnte die Reise nach Bethlehem zur Volkszählung auch bedeuten, dass mindestens einer der beiden Grundbesitz in der Gegend hatte.
Vom Beruf her war Josef Zimmermann wie später sein Sohn. Ein üppiges Gehalt war damit nicht verbunden. Leider sind Löhne und Preise der Zeit zwischen dem 1. Jahrhundert vor und nach Christus nur bruchstückhaft überliefert. Detaillierte Listen kennen wir aus dem 2. Jahrhundert von >Diocletian. Da hatte die Inflation bereits eingesetzt und macht einen Vergleich mit unserer Geschichte schwer. Einzelne Zahlen aus Rom und den Provinzen konnten Wissenschaftler jedoch rekonstruieren.
Das Hauptzahlungsmittel waren >Sesterzen. Nach einer Münzreform unter Augustus wurde der Sesterz aus einer messingähnlichen Kupfer-Zink-Legierung hergestellt. Ein Durchmesser zwischen 27 und 35 Millimetern und ein Gewicht von etwa einer Unze (= 27,3 Gramm) wurden zum Standard. Der Zinkgehalt und das Gewicht nahmen in der Folgezeit ab, doch die Wertigkeit des Sesterz blieb gleich. Ab dem 2. Jahrhundert verlor der Sesterz durch die Geldentwertung seine Bedeutung als Recheneinheit und Buchwährung.
Als Zimmermann gehörte Josef zur Berufsgruppe der Handwerker. Um 121 v.Chr. konnte man damit in Rom bis zu 4 Sesterzen pro Tag verdienen – um die 1.200 Sesterzen pro Jahr. Vermutlich galten in den Provinzen niedrigere Preise. So ließ sich feststellen, dass Arbeiter in Rom 3 Sesterzen pro Tag verdienten, während Arbeiter in den Provinzen nur 2 Sesterzen erhielten. Zum Vergleich: Ein kaiserlicher Redenschreiber konnte 24.000 Sesterzen verdienen.
Um einschätzen zu können, welche Kaufkraft dahinter steckt, schauen wir uns die Preise einiger Waren an. Für einen >Modius Weizen (circa 8,75 Liter) zahlte man in Judäa 1 1/3 Sesterzen. Während einer Missernte konnte dieser Preis mal eben auf 400 Sesterzen hochschießen. Für einen Laib Brot für zwei Personen gab man 0,25 Sesterzen aus.
Gehen wir davon aus, dass Josef 3 Sesterzen pro Tag verdiente (circa 900 Sesterzen pro Jahr). Bei einem solchen Gehalt lässt sich vermuten, dass er damit eine eigene Familie ernähren konnte. Große Sprünge waren allerdings nicht möglich und in Zeiten schlechter Ernten konnte es sehr knapp werden.
Gold, Weihrauch und Myrrhe – Handel im Römischen Reich
Die Sternendeuter aus dem Osten, die Jesus in der Krippe besuchten, brachten teure Gaben mit: Weihrauch, Myrrhe und Gold. Diese waren im Römischen Reich und seinen Provinzen wichtige Handelsgüter. Es gab zu der Zeit eine >Weihrauchstraße, die unter anderem durch Südarabien ging und auf der diese kostbaren Waren geliefert wurden. Doch der Reihe nach.
Seit Augustus die Macht übernommen hatte, kehrte Stabilität ins Staatswesen ein. Damit einher ging eine stabile Währung und ein einheitliches Rechtssystem. Auch im Bankensektor lief es gut. Das Gewerbe war hoch entwickelt und man arbeitete mit einer kaufmännischen Buchführung. Ein einheitliches Maßsystem und ein bargeldloser Zahlungsverkehr bildeten das i-Tüpfelchen.
Beste Voraussetzungen für einen florierenden Fernhandel.
Rom exportierte Wein und Öl, die dank einer gut organisierten Landwirtschaft und billiger Arbeitskräfte (Sklaven) die Konkurrenz ausstachen. Aber auch Glas- und Metallwaren, Bronze- und Eisengeräte und feines Tongeschirr wurden bis in die Grenzgebiete und darüber hinaus gehandelt.
Teure Importgüter
In das Römische Reich wurde auch viel importiert: Getreide aus Ägypten und Nordafrika; Perlen, Parfüms und Gewürze aus Indien sowie Seide aus China. Dank eines Netzes solider Straßen wurden dem Handel nur wenige Grenzen gesetzt. Ein großer Teil des Handels erfolgte übers Meer, da der Transport auf dem Landweg trotz guter Verhältnisse teuer war. Auf einem dieser Landwege kamen auch Weihrauch und Myrrhe nach Rom.
Die sogenannte Weihrauchstraße führte von Südarabien in die damalige syrische Provinz zum Mittelmeer. Weihrauch ist ein Gummiharz, das aus dem Weihrauchbaum gewonnen wird. Besonders hochwertiges wurde damals aus Südarabien und Ostafrika importiert. Einsatz fand es vor allem bei Beerdigungen zur Ehrung der Götter, aber auch in religiösen Ritualen des jüdischen Glaubens.
Myrrhe – ein Harz, das aus Eritrea, Nordsomalia und Südwestarabien importiert wurde – wurde hauptsächlich bei der Herstellung von Balsamen und Parfüms eingesetzt, fand aber auch in der Medizin und bei der Einbalsamierung von Toten Anwendung.
Weihrauch und Myrrhe waren außerdem sehr effektiv bei der Beseitigung schlechter Gerüche, was gerade in Rom von großem Vorteil war. Durch die steigende Nachfrage stiegen die Preise dieser Rohstoffe. Zur Zeit von Jesus Geburt galten sie als Luxusgut und wurden in Gold aufgewogen.
Gold als Rohstoff war dagegen weniger Handelsgut. Vielmehr wurde es nach Eroberungen beschlagnahmt oder in Minen geschürft. Eine der größten Minen befand sich damals in >Las Médulas im Nordwesten von Spanien. Mit modernster Technik und unter schlimmsten Arbeitsbedingungen wurden hier jährlich zwischen 4 bis 7,5 Tonnen Gold gefördert.
Der Geschenkebrauch
Jesus wurde demnach bei seiner Geburt reich beschenkt. Der Brauch, sich an Weihnachten gegenseitig Geschenke zu machen, erinnert an die Gaben der Weisen.
Sich gegenseitig >Geschenke machen, ist aber keine Erfindung der Christen. Auch vorher wurden kleine und große Mitbringsel als Gastgeschenke überreicht oder Gaben an die Götter gereicht, um diese milde zu stimmen.
Ursprünglich war Weihnachten gar nicht mit Geschenken verbunden. Dies war eher ein Brauch am Nikolaustag, dem 6 Dezember. Seit dem 16. Jahrhundert im Zuge der Reformation beschenkten sich die Menschen dann zunehmend zu Weihnachten, um Gott für die Geburt Jesus zu danken.
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Resümee: Wie uns die Weihnachtsgeschichte auch heute noch wirtschaftlich beeinflusst
Die Wirtschaft vor 2.000 Jahren beeinflusste die Geschichte von Jesus Geburt, genauso wie die Geschichte von Jesus Geburt unsere heutige Wirtschaft beeinflusst. Während es in der Weihnachtserzählung jedoch teilweise um Steuererklärungen, Währung und Preis und Fernhandel ging, geht es heute um den Umsatz.
Die Weisen aus dem Osten brachten dem Neugeborenen kostbare Gaben. Daraus entwickelte sich die Tradition des gegenseitigen Schenkens. Eine sehr schöne Tradition, um Wertschätzung und Zuneigung auszudrücken. Wir investieren Zeit und Gedanken in die Auswahl der Geschenke für Menschen, die uns etwas bedeuten. Wir freuen uns auf das Leuchten in den Kinderaugen und lassen uns gern von den Geschenken anderer überraschen.
Gleichzeitig sollten wir nicht vergessen, dass dies auch weniger positive Seiten hat. Der Weihnachtseinkauf kann für viele sehr stressig werden und Geldsorgen hören nicht auf, nur weil Weihnachten ist.
Daher werde ich mich auf das Wesentliche konzentrieren: Zeit mit meinen Liebsten verbringen, gutes Essen essen und „Das Leben des Brian“ anschauen.